Lust am kleinsten Übel?

Wenn es um den Krieg geht, dann werden die Maßstäbe wackelig. Es entsteht eine Lust am kleinsten Übel, weil der Krieg uns noch nicht zum persönlichen Handeln zwingt. Gottseidank, sagt man da, wenn er uns zwingt, ist es ja zu spät. Wozu ist es dann zu spät?

Fragt eure Eltern und Großeltern, manchmal auch euch selbst, wenn ihr zurückkehrt aus Gegenden, wo der Krieg ist oder sich menschennah an den Davongekommenen reibt.

Natürlich ist es, die kleineren Übel zu wählen, um den größeren zu entgehen. Fraglich ist nur, ob das so linear, so folgerichtig funktioniert.

Einfache Beispiele: die Rechtsstaatsbrüche von Polen, die Nationalismen von Ungarn, die autokratischen Verbrechen der Türkei – das alles wird in Kauf genommen, weil diese Regierungen jetzt gegen Putin sind und tatsächlich für die Ukraine einstehen. Das ist richtig so, für den Moment, es wird nicht haltbar sein. Aber es hilft (vielleicht), das noch Schlimmere zu verhindern oder zu bremsen, es ist schon schlimm genug.

Kompliziertere Beispiele: plötzlich wird der Klimawandel in die zweite Reihe gerückt, weil es um das Aufrechterhalten unseres Wohlstands und unserer Freizügigkeit. Wohlgemerkt: unserer Lebensumstände. Nicht nur die Neoliberalen, die Arbeitsplatzfokussierten, die Pflanzenvergifter usw. sehen ihre Chancen, es gibt ein „Umdenken“, ein Schattenwerfen auf das, was als richtige Politik eigentlich längst, alternativlos meistens, erkannt wurde.

Mir geht’s darum, dass es möglich – vielleicht wahrscheinlich – sein wird, dass sich nicht nur der so genannte Lebensstandard absenken muss, damit wir und unsere Nachkommen überleben, sondern dass das mit dem Krieg weniger zu tun hätte, als jetzt aus allen Lautsprechern dröhnt. Oder aber, es gibt den Krieg bei und mit uns, dann wird die Zerstörung der Erde nur beschleunigt, die Richtung ändert sich nicht. Ich hoffe, das ist nicht der Fall, aber es ist möglich.

Im Schatten des Krieges sich auf die Nachkriegszeit einstellen, wie das die NATO und EU machen, ist eine Sache. An unsere Lebensumstände denken eine ganz andere.

Ein Hinweis: Großbritannien hatte erheblichen Anteil am Krieg gegen Hitler und an unserer Befreiung. Trotzdem, vielleicht auch deshalb, gab es nach 1945 eine erhebliche Wirtschaftskrise, rationierte Lebensmittel und Kälte.(https://de.wikipedia.org/wiki/Nachkriegszeit_in_ Grossbritannien). Und wenn es uns ähnlich trifft?

Klar sagt sich das aus dem wohlsituierten Bürgertum leichter als aus dem Prekariat. Aber wozu haben wir eine sozial orientierte Mehrheit in der Regierung? Und vor allem: dass Solidarität mit anderen – Ukraine, Afghanistan, etc. – einem selbst etwas mehr abverlangt als man „automatisch geben“ würde, versteht sich, sonst ist es nur Tauschwertpraxis im ganz normalen Kapitalismus.

Ein giftiger Einschub: die sogenannte FDP wehrt sich dagegen, was allen Bürgerinnen und Bürgern zugemutet werden kann, auch solche Lächerlichkeiten wie ein Tempolimit auf Autobahnen oder gar autofreie Tage. Das ist die Partei, die viele Coronatote, nicht nur aus den eigenen Reihen allerdings zu verantworten hat, und die alles unter dem Wort „FREIHEIT“ verkauft. Nur, Lindners Freiheit wird an keiner humanen Börse gehandelt.

Es wird uns treffen. Kurzfristig so, dass die vorgebliche „Einheit“ rasch Sprünge bekommen wird. Trotzdem muss ein Tempolimit her – das ist mehr als nur eine Metapher – und trotzdem muss man den wieder aktiven Kriegsgewinnlern Gegnerschaft antun, jetzt schon. Dann können wir ja wieder anfangen darüber nachzudenken, welche Lebensumstände wir denn auf der abschüssigen Bahn zum Klimakollaps leben wollen und glauben, leben zu können…am Getreideimport und den Brotpreisen leiden die Armen dieser Welt und keine Deutschen.

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