Religion schadet? Global, lokal,…

Nicht alle Konservativen sind Faschisten. Nicht alle Faschisten sind Nazis. Nicht nur die Linken bestimmen, was rechts ist und wo der Faschismus beginnt, nicht nur die Rechten bestimmen, wo sie zum nicht-demokratischen Populismus legitimiert sind. Trivial?

Untersucht man nur die Sprache und die politischen Diskurse, fallen oft die flachen und unlogischen Strukturen auf; man sollte dabei auch auf sich zeigen, und die eigenen Urteile einer Identitätskritik unterziehen: denn der Blickwinkel ist ja nie objektiv, sondern müsste stärker kritisch untersucht werden.

Die Vorsicht, mit der mehr oder weniger wichtige PolitikerInnen mit diesen Totschlagbegriffen umgehen, ist auch außerhalb der Diplomatie häufiger peinlich als nichts sagend.

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Die Analogien von Putin zu Hitler, von beiden zu Stalin, die Unterschiede und Analogien zu China, und die oft unangebrachte Vorsicht, die Unterschiede zu den USA klar zu benennen, sind im globalen Diskurs schon ziemlich befestigt.

Auf der Weltebene ist das halt so übermächtig, da kann man eh nichts machen, raunzt der Wiener. Da schmiegt man sich eben an die kurzfristigen Apportierer von Dividenden an, ohne die geht’s den Uiguren, Kongolesen und anderen Unterdrückten auch nicht besser, und die Neoliberalen bestimmen auch dann das Feld, wenn sie diesen Titel von sich weisen oder nicht buchstabieren können.

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Wenns nicht global ist, sondern nur aus der Weltsicht betrachtet wird, dann mischt sich die praktische Lähmung auch noch mit Blindheit. Im Letzten Blog hab ich einige Fenster zum Thema in Südtirol geöffnet. Jetzt packt gerade der Hamburger Hampel seine Tasche für China, und hört nicht auf Annalena Baerbock oder Bütikofer, sondern nur auf die Alsterschmarotzer, jetzt muss man mit den Faschisten Erdögan als Vermittler für die Weizenschiffe schonen, jetzt sieht man, wie die jüdischen Menschen genauso blöd sind wie der Rest der Menschheit (Wahlergebnisse rechts von Netanjahu), jetzt sind die Palästinenser wieder Zeugen ihrer eigenen inhumanen Selbstsicht, JETZT…Schauen wir noch einmal auf Netanjahu:

„Denn diese Partner sind höchst problematisch, weil sie das Schwergewicht der Macht an die Ränder der Gesellschaft verschieben. Da sind zum einen die beiden ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Torah-Judentum, die Politik aus Prinzip allein für ihre fromme Klientel betreiben. Statt fürs Gemeinwohl kämpfen sie für die Befreiung ihrer Wählerschaft von der Wehrpflicht oder die staatliche Finanzierung ihrer religiösen Schulen.

Zum anderen – und noch bedrohlicher – gilt das für Netanjahus Bündnis mit den politischen Pyromanen, die als „Religiöse Zionisten“ nun zur drittstärksten Kraft im Land aufgestiegen sind. Diese Truppe von radikalen Siedlern, waffenschwingenden Araberhassern und Homophoben preist dies als göttliche Fügung. Doch in Wahrheit sind auch sie Geschöpfe Netanjahus, der sie aus Machtkalkül aus dem Dunkeln ins Licht holte.“ (SZ 3.11.2022). Und das muss man erklären, nicht hinnehmen.

Die besonders klugen (Profs, Studis) erklären mir jetzt, JETZT, wie alles mit allem zusammenhängt. Dies kann man, kann ich, widerlegen, aber es ist nicht einfach.

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Demokratien sind so gut und lebenswert, weil sie auch dann erfolgreich sind, wenn sie „schwach“ sind. Aber was heißt „schwach“? Sie haben, wir haben Feinde im Inneren, weil die Interessen die Einsicht übertönen, und im Äußeren, weil nur die Ökonomie global ist, und die Politik dahinter zurückbleibt. Man kann auch Marx und Hannah Arendt dazu lesen, aber noch näher läge die Frage, warum sich die menschliche Evolution der Einsicht in die Wirklichkeit verschließt. Mein Lieblingsthema: Wahrheit unterliegt der Wirklichkeit, nicht umgekehrt.

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Offenbar haben Aufklärung und Evolution eine Vielzahl – nicht die Mehrzahl? – von Menschen dazu gebracht, sich politisch eher rechts und gegen die Verantwortung des freien Willens zu engagieren. Hättet ihr das von Israel gedacht, oder von den nachkolonialen Gesellschaften im Nahen Osten und Asien, oder von Ungarn und Polen und vom sozialdemokratischen Vorbild Schweden? Oder von der österreichischen Volkspartei?

Die ÖVP erwähne ich, weil sie aus zwei Diktaturen, dem Austrofaschismus und den Nazis, ganz unterschiedliche Materialien zur Weiterexistenz gezogen hatte. Und weil ihre austrofaschistische Vergangenheit, wie bei vielen konservativen Parteien, eng mit Religion verbunden war. Dass alle Religionsgemeinschaften Faschismus-affin sind, kann man beweisen, es bedeutet nicht, dass jeder Glaube so ist. Aber die Kirchen, v.a. die monotheistischen sind das, immer im Kampf mit ihren vernünftigen, aufgeklärten Gegnern. Nicht nur die christlichen Kirchen, Islam und auch das Judentum (siehe nationalzionistische teilweise kriminelle Parteien in Israel). Wie ich im Kontext darauf komme:

Tim Parks beschreibt in seiner erschreckenden Rezension „The Pope’s Many Silences“ (NYRB20.10.2022) das Verhalten des Papstes Pius XII anhand zweier kontroverser Historiographien (vernichtend kritisch von David Kertzer, apologetisch von Michael Hesemann). Die letzten Archive sind ja jetzt offen, den europäischen Katholiken laufen die Gläubigen davon – und was hat das mit Pius XII zu tun? Der war in meiner Kindheit durchaus präsent, als antikommunistische und segensreiche politische Ikone, aber was hat er getan? Lest das im Detail nach. Ich spreche bewusst von der Faschismus-Affinität. (Dem steht die karitative Praxis nicht entgegen, das ist die Crux im Alltagsdiskurs).

Die Differenz zwischen Religion und Glauben ist politisch, sie ist die Differenz ums Ganze. An der Wirklichkeit muss man den Papst und die Kirche messen, nicht an der göttlichen Wahrheit.

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Und wenn die Kleingeister ihre Lokalität weltweit ausleben, bedarf es gar keiner polemischen Diskussion um Religion mehr. Oft genügt der Gebrauch der Vernunft. Nur spielen die Religionen nach wie vor in die politischen Diskussionen und Praktiken unzulässig hinein.

Und jetzt lest bitte den ersten Absatz noch einmal

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