Jüdischer Einspruch IV: Israel und der Dritte Weltkrieg

Kassandra hat sich schon dadurch unbeliebt gemacht, dass ihre düsteren Visionen keine schwarze Zukunft,  sondern eine ebensolche Gegenwart aufgerufen haben – nur hat das niemand so richtig verstehen wollen.

H.C.Artmann, einer meiner großen Dichter, schreibt 1966: (Sämtliche Gedichte 2003, S. 203)

Frog me ned

Wos fia r a numara

Da dod hod

De numa r is owa

Scho soo schwoazz

Das e s ned lesen kau

Wan e a woit!

 

Gib liawa

Die frogarei auf

Sunzt dales e s aum end

No wiaklech…

 

Muss ich übersetzen? Frag mich nicht welche Nummer der Tod hat…Die Nummer (auf der Mütze, MD) ist aber schon so schwarz, dass ich sie nicht lesen könnte, wenn ichs auch wollte. Gib lieber die Fragerei auf, sonst lese ich es am Ende noch wirklich…

 

Nicht hinschauen, nicht genau hinschauen. Den Heißsommer abhaken, die Heisszeit ignorieren, wenn der Regen kommt, die Schockstarre dieser Bundesregierung ist keine Duldungsstarre (wenn das Kabinett zum Beispiel von der Vernunft begattet würde), sondern die Politik nicht nur bei uns steht unter dem Eindruck völligen Ausgeliefertseins eines bereits beschlossenen (die letzten  Gottgläubigen) oder unabwendbaren (die letzten Rationalisten) Geschehens. Zwischen Klimawandel und Drittem Weltkrieg.

 

(Ein kleiner Einschub, der aber wichtig ist: einer meiner Leitphilosophen, Hans Ebeling, schreibt über unsere Zeit, im Kontext von Kriegsführung zunächst, dass „der dritte (Weltkrieg) gar nicht mehr zu geschehen braucht, um ganz ins Bewusstsein als Selbstbewusstsein der Gattung zu treten“. Wir wissen es schon…(aber frag mich nicht). Wenn es um das Leben „aller“ geht, dann sind Politiken, die die Rettung einer Weniger, die den Neuanfang wagen könnten, Unsinn. Der begriff des Holozids, also weiter als Suizid und Genozid zusammen, ist erschreckend, und bei genauem Hinsehen auch ganz wirklich (H.E.: Vernunft und Widerstand, 54-61).)

Ich lass mir natürlich keine machokassandrogene Rhetorik nachsagen, aber gerade dann ist zu fragen, was zur Zeit eigentlich geschieht.

 

*

 

Dieser Blog ist weiterhin ein jüdischer Einspruch, und nicht gleich wieder Finis terrae XXII. Das Durchdenken des unbedacht, ethnozentrischen, gotteslästerlichen (das ist mir egal) und kriegsförderlichen Nationalitätengesetzes in Israel hat viel Böses geschaffen, von dem wir vielleicht hoffen können, dass entfesselt auch einige Machthaber zum Umdenken bewegt. Aber solche zynische Dialektik kann nur die  Philosophie spinnen. Ob und wie Israel ein jüdischer Staat ist, ist die rhetorische Form einer Politik, die vielleicht folgendes behaupten kann: regt euch nicht auf, für das Alltagsleben der allermeisten – auch der Araber, Drusen Palästinenser in Israel – wird sich nichts ändern; wir werden gestützt auf dieses Gesetz die Annexion der Westbank fortsetzen, und lieber palästinensische Arbeiter beschäftigen als importierte aus Asien – ein eigenes Kapitel israelischen Ethnozentrismus, nicht hier – und schließlich: wir wollen ja nur, dass der jüdische Staat jüdisch bleibt, ist das so illegal? Und dieser Rhetorik stimmen wahrscheinlich fast alle zu, aus zwei von einander unterschiedlichen Positionen: die neuen Nazis, Faschisten, Populisten links wie rechts aus dem Grund, dass ja der Ethnopluralismus die stärkste Waffe gegen den Aufbruch in kosmopolitische Demokratie ist, und die Verluste, die wir durch durchgesetzte Leitkulturen erleiden, allesamt durch nationales Bewusstsein kompensiert werden: All, weltweit, verarmen, aber dafür selbstbewusst. DAS ist die Analogie zwischen dem Ganef Netanjahu und dem Irren Trump. Israel hatte lang vor Trump mit diesem Gesetz begonnen, die orthodoxen Rabbiner haben die Landnahme befördert, und die Israeli, die mit der Shoah nichts mehr verbinden, müssen sich auf sie als raison d’etre auch nicht berufen. Gar nicht unlogisch, wenn damit Israel ein ganz normaler Staat -nicht unbedingt ein jüdischer – Staat werden würde, eine Einstaatenlösung, die für alle noch immer besser als das Leben in den umliegenden arabischen Ländern wäre.

Wohlgemerkt, ich habe einen moderaten, nicht siedlungsaffinen und nicht ultra-orthodoxen israelischen Likudmenschen simuliert (Vgl. dazu heute Alexandra Föderl-Schmid: Land im Stress, 9.8.2018, S. 3). Kritisieren kann ich ja nicht den Pragmatismus des ethnischen Herrschaftsvolks, das ja nach 1945 eben deshalb auch einen Staat gründen konnte, den es sonst als ethnobasierte Demokratie nirgendwo gehabt hätte – kritisieren kann ich den Verlust an Menschenrechten, an Unabhängigkeit der Justiz, an faktischer Diskriminierung – das kritisiere ich und wundere mich über die zaghaften Proteste hier in Deutschland. Die Israelis sind da viel couragierter, nicht nur die nicht-jüdischen…Und ich kann kritisieren, dass mit diesem eher symbolischen Gesetz es noch schwieriger wird, der terroristischen Hamas Herr zu werden, was an der Zeit ist; und ich kann kritisieren, dass das Gesetz Antisemiten aller Couleurs Auftrieb gibt (Dazu gibt es spannende Briefwechsel, u.a. lässt ein deutscher Linker verlauten, dass Barenboims Protest gegen das Gesetz ja wohl „nicht antisemitisch“ sei, als ob DAS jemand behauptet hätte…ich erspare euch diese Kommunikation).

 

Das Auflösen der als sicher geglaubten Plattformen staatlicher Einbund von demokratischen Gesellschaften bedeutet aber, dass man gar nicht mehr an den Klimawandel und die tatsächlichen Kriege denkt, das eigene Volk steht einem ja natürlich viel näher…so ein Volk waren wir jüdischen Menschen aber nie und werden es hoffentlich nicht sein. Unterstützt den Protest gegen dieses unmenschliche Gesetz in Israel, lest israelische Autoren (es gibt keinen, der schreiben kann, der das Gesetz unterstützt) und schaut euch an, wie die AfD, die CSU und andere Kriegstreiber der Form dieses Gesetzes sich annähern. Ja, Kriegstreiber: wer dem Ethnos Raum gibt gegen die demokratische Republik, riskiert, dass der Dritte Weltkrieg manifest wird.

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