Dass Deutschland keine Großmacht ist, beruhigt. Dass wir eine größere Rolle spielen sollen in der Weltpolitik, ist ein Aufruf, eine Hoffnung, eine Illusion, ein Phantasma – oder ein Alptraum. Man kann der deutschen Außenpolitik beim besten Willen kein Profil, auch nicht den Willen zur Profilierung nachweisen. Da werden Beziehungen verwaltet, die sorgsam darauf achten, dass unsere Waffenexporte nicht wirklich leiden und unsere angeblichen Bündnispartner nicht wirklich beleidigt sind. Die größte Schwäche der Regierung, nicht nur von Maas, ist, dass sie immer nur einen Gegner pro Situation konstruiert – und im Polygon der globalen Politik gibt es keinen Fixpunkt, von dem aus mit Stärke und Überzeugung Politik gemacht werden kann.

(Da wird immer gesagt, wir würden im Westen durch unsere gemeinsamen Werte zusammengehalten. Beides ist falsch: die Werte werden nicht benannt, sondern sind ein buntes flaches Bündel von Tugenden; und zusammengehalten werden wir mit wem?, wenn überhaupt: mit den USA, mit Russland, mit den großen Nachbarn in der EU und mit denen, die wir in diese Union selbst hineingeholt haben?).

Es ist klar, und ich kritisiere das ausdrücklich nicht, dass man mit Diktatoren, Autokraten und irren Machthabern reden, verhandeln und handeln  muss. Das gilt für Verhandlungen außerhalb der EU, mit Trump, Erdögan, Netanjahu, Putin, …, und es gilt mit  Positionen mit anti-demokratischen Machthabern in der EU, v.a. Ungarn und Polen. Aber es kommt darauf an,  wie man das macht. Und das macht man schlecht.

In den wirklich großen Fragen – Klima, Menschenrechte, Flüchtlinge, Armut – handeln wir noch nicht einmal innerhalb unseres Landes so, wie wir es könntenBaerbock und Habeck sind die einzigen an der Spitze einer demokratischen Partei, die die Grundvoraussetzung erfüllen. Im Thüringendebakel  hat einzig Söder sofort und unmissverständlich was wahr ist, gesagt. In anderen Parteien gibt es natürlich auch solche Menschen, aber eben nicht an der Spitze, Polenz, Heye, Lambsdorff etc. Aber, bei allem Respekt vor der zusammenhaltenden Tugend von Merkel, gibt es dennoch keine Regierung, die sich der wirklichen Probleme annimmt. (Und sich damit rechtfertigt, dass die Dinge, die sie anfasst, auch wichtig sind, abschreckend Scheuer oder Klöckner; stellt euch diese auf weltpolitischer Bühne vor, in Trumps Kabinett… ). Damit kann man sich eine Zeitlang über Wasser halten, es ist eine Art von Auszehrung der republikanischen Selbstverständigung und des demokratischen Kommuni-kationsnetzes.

Einer der Gründe für diese praktische Unscheinbarkeit ist die vorgebliche Gleichheit der Akteure, sozusagen eine konstruierte Augenhöhe, mit der man sich begegnet, – so sagt auch die Maus zum Elefanten. Wenn der unmoralische Trampel Grenell – angeblich amerikanischer Botschafter – tun und lassen darf, was er will, dann steht das in krassem Widerspruch zu den Regeln, denen man sich im Reaktionen auf Xi, Putin, Trump etc. befleißigt. Das aber ist die Ethik und Rhetorik der Maus. In der Psychoanalyse sagt man „ Mach dich nicht so klein, so groß bist du nun auch wieder nicht“. Deutschland ist groß und wichtig genug, den Verbrecher Trump und seinem Anspruch, der westlichen Welt seine schmierigen Privatfantasien aufzuzwingen, entgegenzutreten. Man kann die amerikanischen Truppen aus Deutschland entfernen – glaubt jemand, dass danach die Russen einmarschieren? Man kann die NRA-Mitglieder an der Einreise hindern – glaubt jemand, dass das dem Tourismus schadet? Man kann Exporte in die USA durchaus reduzieren – glaubt jemand, dass das unsere langfristige Ökonomie wirklich gefährdet, wo wir sie doch ohnedies ökologisch umbauen müssen?

Worum es mir geht, sind nicht sozio-politische Nachhilfestunden für unsere regierenden Politiker. Es gehört auch zur Demokratie, dass nicht die „Optimaten“ zugleich die Herrschenden und die Macher und die Erklärer sind. Worum es mir auch nicht geht, ist die Position des „Nörglers“ einzunehmen, der den Regierenden immer vorhält, auf welchem falschen Parkett sie gerade tanzen.

Aber es geht mir darum, den aktuellen Brennpunkt der für uns relevanten Ausschnitte der globalen Politik, also doch die USA, ins Visier praktizierter Politik zu nehmen und das nicht einfach in die Außenpolitik abzuschieben, sondern die künstliche Membran zwischen Innen- und Außenpolitik zu durchtrennen. Wenigstens in unserem Bewusstsein: dass zwar nicht alles mit allem zusammenhängt, dass das aber, was zusammenhängt, nie nur außen oder drinnen ist. Um die Konfrontation gegen alle Gegner der Demokratie, der Menschenrechte, der Grundfreiheiten zu wagen, müssen wir die Regierung und nicht sie uns mitnehmen. Banal? Vielleicht. Aber sonst fühlen wir uns ohnmächtig zugeschüttet von zuviel Politmüll aus allen Ecken und Enden, und bei uns rottet es auch schon. Dem entkommt man nur, wenn man den Kopf und die Fäuste rausstreckt – und sagt, was zu sagen ist. Das ist in Deutschland zur Zeit im Argen. Wer sagt, was zu sagen ist, wird in die gleiche Rubrik „Verrohung“ eingeordnet wie der Verrohende, der ausspricht oder demonstriert, was nicht zu sagen ist.

Trump lässt Menschen, die gegen ihn gezeugt haben, abführen, wie Vieh aus dem Weißen Haus treiben. Höcke gratuliert Kemmerich.  Der große Verbrecher tut was er will. Der etwas kleinere Verbrecher tut auch, was er will. Beide haben noch einen Rechtsstaat um sich, der ihnen Einhalt gebieten kann. Aber auf das, bitteschön, müssen die Menschen hören, handeln, nicht nur denken.

*

In diesen Tagen geht mir immer das „Nein“ durch den Kopf, am Ende von Bert Brechts Keuner-Geschichte: „Maßnahmen gegen die Gewalt“. Der nachgetragene Widerstand hat uns vielleicht den Bruch des Rückgrats vermieden. https://nosologoethevlc.files.wordpress.com/2013/03/brecht-geschichten-keuner.pdf

Und dann geht mir durch den Kopf, wie die Ohnmacht die eigenen Gedanken radikalisiert und jenseits aller möglichen politischen Praxis aufpeitscht. Dem will die Unterwerfung unter die guten Sitten im Umgang mit den Diktatoren natürlich vorbeugen – bis zur Unkenntlichkeit der Akteure, die für uns zu sprechen vorgeben.

Wir haben uns in die Hand dieser Regierenden begeben, weil wir die Legitimität des staatlichen Gewaltmonopols und der Machtverteilung im Grundsatz anerkennen. Auch, und das hebt uns moralisch hervor?, auch wenn andere das gar nicht legitim handhaben. Die Säkularisierung des Guten Hirten, der sich um seine Lämmer und Schafe kümmert, macht die Metapher nicht besser. Der Hirt ist weder Schaf noch Bock. (Wer die Allegorie ausdeuten möchte: Joh. 21,15). Wie kommt er dazu, uns zu befehlen, wie kommen wir dazu, uns ihm zu unterwerfen. „Niemand hat das Recht zu gehorchen bei Kant“, sagt Hannah Arendt in Bezug auf Eichmanns Versuch, seine Handlungen auf die Vorgesetzten auszulagern und sich dabei auf Kant zu berufen (Viele zitieren den Satz ohne Kant und aus dem Kontext – http://falschzitate.blogspot.com/2017/07/niemand-hat-das-recht-zu-gehorchen.html). Wieviel lagern wir aus, ohne dass wir irgendwie mit Eichmann zu vergleichen sind? Mir geht es nicht um die größeren und kleinen Anlässe der Verlagerung von Verantwortung, sondern um die Entpolitisierung durch Anerkennung der Position der Regierenden, d.h. ihrer Macht. Wir sind Schafe, weil die Hirten keine sind…Wird der Gewählte, die Gewählte durch unsere Wahl zum Hirten?

Es sind Tage des Schreckens, auch wenn wir uns nur über die Brüstung beugen, sie zu beobachten.

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